Zur Einführung in die Onelten- und Literaturkunde der Weltgeschichte.
1. Das Material, aus dem die Weltgeschichte, d. i. „die Wissenschaft von der Entwicklung der Menschen in ihrer Betätigung als soziale Wesen", schöpft, nennt man ihre Quellen. Sie umfassen alles, was von den Begebenheiten übrig geblieben ist, ihre Überreste, wie sie uns in Sprache und Sitte, Spielen und Kulten, Gesetzen und Verfassungen, Geräten und Bauten, Urkunden und Denkmälern erhalten sind; zu ihnen gehört aber auch alles, was von den Begebenheiten überliefert ist, ihre Tradition, sei es nun bildliche (Münzen, Gemälde), mündliche (Erzählungen, Lieder, Sagen) oder schriftliche (Kalender, Stammbäume, Annalen, Chroniken, Geschichtsdarstellungen). Diese ungeheure Stoffmenge ist nun kritisch zu untersuchen hinsichtlich ihrer zeitgeschichtlichen Einordnung (die Ausgrabungen in Griechenland), ihres etwaigen sagenhaften Charakters (die Weiber von Weinsberg), ihrer parteiischen Entstellung (das Charakterbild Cäsars, Wallensteins), ihrer bewußten Fälschung (die donatio Constantini, die pseudoisidorischen Dekretalien). Während die Wissenschaft diese Arbeit für das Altertum ziemlich abgeschlossen hat, wird die Sichtung, je mehr wir uns der neueren und neuesten Zeit nähern, immer problematischer.
Daß das Quellenstudium auch für den Geschichtsunterricht fruchtbringend wirkt, ist heute anerkannt. Dabei wird im allgemeinen abzusehen fein von den großen wissenschaftlichen Sammel- und Einleitungswerken, wie sie in den Monumenta Germaniae hist, (von Pertz-Waitz-Dümmler), in den Werken von Wattenbach und Lorenz vorliegen. Das Verdienst, für die deutsche Geschichte das erste pädagogisch verwertbare Quellenbuch verfaßt zu haben, kommt Albert Richter zu. Sämtliche Perioden der Geschichte umfaßt das „geschichtliche Quellenbuch" von Sevin,
Kauffmann und Berndt, Geschichtsbetrachtungen I. 1
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Das griechische Mittelalter
9
§ 2.
I. Periode:
Die allmähliche Erstarkung der einzelnen Stadtstaaten von kleinen Anfängen an bis zum Lewerli um die Mittelmeerherrschaft. (Das griechische Mittetalter.)
Überblick und Quellen.
A. 1. Anfänge der Griechen nach Sage und Forschung (troische und mykenische Kultur).
2. Äußerliche Verbreitung durch Wanderung und zweimalige Kolonisation.
3. Innere Erstarkung und Sammlung um zwei vorbildlich verfaßte Stadtstaaten.
B. 1. Unter den für diese Periode als Geschichtsquellen wichtigen Monumenten ist vor allen Dingen hinzuweisen auf die von Schliemann begonnenen Ausgrabungen in Mykene und Troja (Burgen und Mauern, Türme und Tore; „Schatz des Priamus"; „Schatzkammer des Atreus"; Löwentor). Ihr Ergebnis: An den Küsten des ügäischen Meeres herrschten mächtige Könige, die mit Hilfe zahlreicher dienender Kräfte gewaltige Bauten errichteten, große Schätze ansammelten, deren Volk schon seßhaft geworden, stadt- und dorfartige Siedelungen angelegt hat; in ihm hat sich schon ein Handwerkerstand (Schmiede, Töpfer) herausgebildet; endlich: es stand in Handelsbeziehungen mit den Völkern des Orients, insbesondere mit den Phöniziern (Cypern).
2. Weitere unmittelbare Quellen liegen uns in den griechischen Schriftstellern vor.
a) Besonders wichtig für die erste Zeit ist das die Kämpfe zwischen Europa und Asien, Griechen und Persern schildernde, in neun, mit dem Namen der Musen bezeichnete Bücher zerfallende Geschichtswerk des Herodot (j 425), „des Vaters der Geschichte". Wohl gab es schon vor ihm Logographen, die aus Stadtchroniken und überlieferten Mythen ihre Sagen- und Länderkunden zusammenstellten, ohne Zusammenhang und Ordnung. Herodot ist der erste, der sich ein welthistorisches Thema, den Kampf zwischen Morgen- und Abendland, stellt, und in seine Darstellung die ganze Fülle historischer und geographischer Kenntnis der damaligen Zeit hineinarbeitet, wie er sie auf seinen großen Reisen durch Asien, Ägypten und Italien erkundet hat. Doch sind seine Angaben hin-
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Die Bedeutung der Perserkriege 21
blinden Fatums oder eines fluchererbten Schuldverhängnisses" — schonungslos zerschellen muß; Sophokles legt die Entscheidung in die Seele seines Helden, macht ihn selbst „zum Meister seines Schicksals" und läßt ihn in gewaltigen Konflikten seinen Untergang finden. So stirbt Antigone, indem sie die unverbrüchliche Heiligkeit der ewigen ungeschriebenen Gesetze wahrt gegenüber den menschlichen Machtgeboten der in dem tyrannischen Kreon verkörperten Staatsgewalt.
Hohe und edle Sittlichkeit (V. 1294—1300)1), tiefste Auffassung des Staats und des Herrscheramts (V. 174—189; V. 728), klare Einsicht in und ernste Warnung vor den Gefahren der Zukunft (V. 293ff.; 366ff.) verraten den Freund und Mitbürger des Perikles, aber auch den Zeitgenossen des peloponnesischen Krieges.
c) Hinsichtlich der künstlerischen Entwicklung in Athen z. Z. des Perikles, wie überhaupt der gesamten griechischen Kunstgeschichte sei mit besonderem Nachdrucke hingewiesen auf
Dr. Georg Waruecke, Kunstgeschichtliches Bilderbuch (Leipzig, Seemann) nebst einem Textbuch, das eine kurze, vortreffliche Übersicht der gesamten Kunstgeschichte in der Form von Erläuterungen der Bilder des Hauptteils gibt; auf gelegentliche Abhandlungen und Anmerkungen Winckelmanns, Lessings, Goethes und Schillers ist daselbst ebenfalls verwiesen. Daß sich Lessings Laokoon (Ausgabe von Cosack, Berlin 1890) und die berühmte Abhandlung „Wie die Alten der Tod gebildet" insbesondere zum Studium eignen, ist selbstverständlich?)
Bau- und Bildkunst im perikleischen Zeitalter schildert Plntarch, Tempel und Bildwerk des Zeus in Olympia Pansanias (sein für die Kunstgeschichte — Tempel, Statuen, Gemälde sind beschrieben — wichtiges Werk stammt aus dem 2. christlichen Jahrhundert).
§ 5.
Die Bedeutung der Perserkriege.
1. Es war der Ansturm einer gewaltigen Völkermasse, der dem in viele einzelne Kantone gesonderten und zersplitterten Griechentum als das
*) Die Verse sind zitiert nach der Pottaschen Übersetzung des Sophokles.
2) Neueste und empfehlenswerte Erscheinungen sind: Warnecke, Hauptwerke der bildenden Kunst in geschichtlichem Zusammenhange. Mit 441 Abb. Leipzig, Seemann; Schneider und Metze,' Hauptmerkmale der Baustile. Leipzig, Hirt.
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26 Die griechische Geschichte
Die Säulen mit dem den lastenden Druck versinnbildlichenden Kapital, die mit Reliefs verkleideten vorspringenden Balkenköpfe (die Triglyphen) und die einspringenden, gewöhnlich ebenfalls mit plastischen Figuren ausgestatteten Zwischenfelder (die Metopen), — sie ergeben sich mit Zwang aus dem Aufbau des Ganzen; in allen andern ornamentalen Zutaten (Kranzgesims, Dachzierden), in der Ausarbeitung der konstruktiven Elemente (Säulenform, Kapitol) versinnbildlicht sich Freisein von Last oder Druck und Gegendruck. Auf eine solche verschiedenartige Symbolisierung sind die drei griechischen Stilgattungen zurückzuführen: der würdevolle Ernst des dorischen Säulenbaus (Parthenon), die graziöse Anmut des jonischen Tempels (Erechtheiou), die oft bis ins Geschmacklose gehende Überladenheit der Bauten des späten korinthischen Stils. Nichts ist ohne Zweck und Sinn; die Gliederung des Tempels ist, bis ins einzelne hin sorgfältig abgewogen, eine tief erdachte Verbildlichung der architektonischen Momente; der ganze Bau gleichsam lebendiger Organismus, ein Werk voll schönster Harmonie.
b) Diese Harmonie der Verhältnisse und Vollendung der Technik in gleicher Weise offenbarende Architektur wird nun reich und sinnvoll ausgestattet mit plastischen Werken. So finden sich an Parthenon auf 92 Metopen Kämpfe gegen Giganten und Kentauren, auf dem Cellasries der festliche Panathenäenzng, in den östlichen und westlichen Giebelfeldern, deren breite Fläche solchen Schmuck ja geradezu erfordert, die Geburt Athenes aus dem Kopfe des Zeus und der siegreiche Wettstreit der Athene mit Poseidon um den Besitz der Stadt dargestellt.
Bald in Hoch-, bald in Flachrelief, ohne Häufung und ohne Lücken, teils sitzend, teils auf feurigem Roß dahingaloppierend, ganz der Wirklichkeit abgelauscht und darum bei aller Wiederkehr der Stellung und Bewegung voll eigenartiger Züge, bezeichnen diese Bildwerke den Höhepunkt griechischer Plastik.
Der Säulenbau aber, den sie schmücken, erscheint, wie von weitem schon durch seine Einheitlichkeit und Geschlossenheit, durch das vollkommene Ebenmaß seiner Teile, seine symbolische Architektonik, jetzt auch in der Nähe durch diese bis auf unsre Tage unerreichte plastische Form-schönheit, diese Gruppen voll edler Einfalt und stiller Größe als ein Bauwerk verklärter Harmonie.
Anmerkung. Es sei hier die Charakteristik jener plastischen'werke von E. Curtius (Gr. Gesch. Ii, S. 266 f.) angeführt: „Die Giebelfelder wurden mit kolossalen Bildwerken angefüllt, welche der Räumlichkeit angemessen eine Handlung darstellten, deren Hauptgruppen die Mitte des Dreiecks einnehmen, während nach beiden Seiten hin in abnehmender Größe die näheren und ferneren Teilnehmer und Zeugen der Handlung ihren Platz fanden. Hier mußten die bedeutendsten Tatsachen der einheimischen Athenereligion, welcher das ganze Gebäude gewidmet war, dargestellt werden.
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Der Verfall Griechenlands
29
von Otricoli und der Juno Ludovisi wird die griechische Gottheit in idealster Verklärung und Schönheit dargestellt, einer Schönheit, die das Herz anbeten ließ, den Menschen über die Enge seines Lebens hinaushob und ihn zur Frömmigkeit stimmen sollte, eine „Anmut und Würde", eine „edle Einfalt und stille Größe", die die größten Deutschen bewundernd zu den unsterblichen Meistern haben aufsehen lassen.
c) Die Götter schwinden allmählich dahin, und immer mehr tritt die rein menschliche Schönheit als künstlerischer Vorwurf in den Vordergrund, oft nicht mehr ruhige würdevolle Gelassenheit, sondern naturgemäß auch den Schmerz und die Leidenschaft — aber stets im Bann des Gesetzes der Schönheit — darstellend. Neben dem Hermes des Praxiteles ist hier vor allem die Niobidengruppe mit der höchsten Mutterschmerz und königlichste Würde offenbarenden Niobe zu nennen. — In der Folgezeit, da im Zusammenhang mit Griechenlands politischem Zusammenbruch die Kunstschulen von Rhodus und Pergamon aufblühten, sind orientalische Einflüsse in die griechische Kunst einzudringen inbegriff, tritt jene Vorliebe für das Kolossale, für Üppigkeit und Reichtum der Bildwerke auf, die nur zu leicht vergessen machen konnte, daß Schönheit und geistiger Ausdruck allein den Wert des Kunstwerks ausmachen.
Bekannt ist der Altar von Pergamonx) mit seinem gigantische Kämpfe darstellenden Fries (Museum in Berlin), der borghesische Fechter, endlich die Laokoongrnppe, worüber Lessing zu vergleichen ist.
Des griechischen Volkes staatlicher Zusammenbruch und des griechischen Geistes weltgeschichtliches Lebendigwerden im makedonischen Weltreiche.
Überblick und Quellen.
A. 1. Das Zeitalter des peloponnesifchen Krieges — der beginnende politische Verfall Griechenlands.
*) „Wir wissen nicht, was wir mehr daran bewundern sollen, die ausgebildete Beherrschung des Marmors, den aus früheren Perioden überkommenen Idealismus der Konzeption oder den hochgesteigerten Realismus der Formgebung, die wahrhaft überströmende Lebensfülle oder die unbegrenzte Erfindungskraft, die mit gleicher Meisterschaft phantastische Gestalten schafft und einfach menschlich rührende Züge darstellt" (Schiller, Weltgeschichte I, S. 375).
§ 7.
Ul Periode.
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Extrahierte Personennamen: Schiller
Extrahierte Ortsnamen: Griechenlands Otricoli Ludovisi Griechenlands Rhodus Pergamon Berlin Griechenlands
Über die griechische Kunst 25
barbarische, sklavisch unselbständige, ideallose Masse gewesen ist, so auch im Gegensatz zum reaktionären Kasernen- und Polizeistaat die Vertreterin kultivierter, idealer, vergeistigter Individualität, und so der erste, gebildeteste, tonangebende Staat Griechenlands. Ob freilich einer maßhaltenden, gesunden und im Dienst des Staatsganzen sich haltenden Individualität, muß die Zukunft lehren.
§ 6.
Über die griechische ihm lt.
I. Es liegt eine bemerkenswerte Gesetzmäßigkeit in der weltgeschichtlichen Entwicklung darin, daß überall, wo der Einfluß griechischer Bildung und Kultur einmal wieder lebendig wird, er in einer künstlerischen „Wiedergeburt" (Renaissance) seinen besonderen Ausdruck findet. Die mittelalterliche Renaissance, da im Zeitalter. Karls des Großen und später in dem der Ottonen klassische Bildung wieder auflebt, repräsentieren Kirchen und Paläste, in denen antike Muster, wenn auch nicht in Reinheit und Klarheit, sich wiederfinden. Der Humanismus der beginnenden Neuzeit geht Hand in Hand mit der modernen Renaissance. — Das, was das griechische Volk der weltgeschichtlichen Entwicklung an lebendiger Kraft gebracht hat, wäre nur halb charakterisiert, wenn der griechischen Kunst nicht gedacht würde.
Ii. Daß die Kunst der Religion liebstes und erstes Kind ist, beweist, wie die Geschichte des Mittelalters, so auch die Griechenlands. Die Bauwerke, in denen der griechische Geist sich als künstlerisches Genie offenbarte, sind die Wohnungen der Götter, die Tempel, gewesen; die ersten Statuen, die er schuf, waren Götterbilder.
1. Ter griechische Tempel, ein Bauwerk voll schönster Harmonie.
a) Erhaben über den Wohnungen der Sterblichen und den gewöhnlichen Erdboden erhebt sich der griechische Tempel. Ein Stufengang gewährt dem Vertrauten den Einlaß. Aus der anfänglich wohl einfachen Gestalt, fei es nun eines Baues aus Holz und Lehmziegeln oder eines mit metallenen Zieraten geschmückten Blockhauses, ward der griechische Säulenbau. Da steht vor uns der Athenetempel zu Ägina. Wuchtig und schwer lasten Giebel und Dach; aber gewaltig ist der Unterbau, kurz und kräftig die Säulen, die fast herausquellend sich stemmen wider die Last. Es ist ein Bauwerk voll ernster Würde und strenger Gebundenheit.
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Über die griechische Kunst
27
Den Giebelraum der Ostseite füllte die Versammlung der olympischen Götter, eingefaßt von den Gottheiten des Tageslichts und der Nacht. In der Mitte der Olympier erscheint Athene, neugeboren, aber vollkommen reif, schön und wahrhaft, neben ihrem Vater Zeus der leuchtende Mittelpunkt der großen Versammlung, zu dem von beiden Seiten mit staunender Bewunderung die Götter und Göttinnen hinschauen. Der Westgiebel dagegen ist durch die Gottheiten attischer Gewässer, welche als liegende Eckfiguren die Darstellung einschließen, als attischer Boden bezeichnet. In der Mitte steht Athene neben Poseidon, jene mit ihrem Gefolge attischer Landesgottheiten, dieser von den Dämonen des Wassers begleitet. Sie haben um Athen miteinander gestritten. Der Kampf ist entschieden, der mildere Gott muß weichen; aber das glückliche Land, das die unsterblichen Götter einander beneiden, hat von beiden Seiten Gaben unvergänglicher Bedeutung empfangen, und auch der Streit ist ihm zum Segen geworden." — „Im Fries herrscht der milde Fluß einer epischen Darstellung, während in den Giebelgruppen ein dramatisches Leben uns entgegentritt, dessen Bewegung sich in einem bedeutungsvollen Moment gipfelt."
2. Die griechische Plastik auf ihrem Höhepunkt — die idealste Darstellung des Schönen.
a) Einflüsse orientalischer Kunst weisen die Reste, die uns aus der mykenischen und troischen Kultur erhalten sind, auf in der steifen Haltung, der gewaltsamen Bewegung der Körper; aber auch hier schon macht sich ein Streben nach Lebendigkeit, nach Naturtreue (vgl. die Löwen am mykenischen Tor) bemerkbar, das in der sog. archaischen, bis etwa 450 reichenden Periode sich verstärkt. Wer das Giebelrelief des äginetischen Athena-tempels beschaut, wird trotz des starren und ausdruckslosen Lächelns der Figuren nicht verkennen, daß sie in ihrer streng symmetrischen Anordnung voll größter Naturtreue und ihre Bewegungen voller Leben sind. In ihnen und ebenso in den Statuen der athenischen Tyrannenmörder kommt die Ursprünglichkeit und Gebundenheit einer noch in der Entwicklung begriffenen Kraft zum Ausdruck, einer Kraft, die sich zur harmonischen Durchbildung, zur Durchdringung der plastischen Form mit geistigem Gehalt erst durchringen muß. Myrou mit seiner berühmten „Augenblicksskulptur", dem Diskuswerfer, bereitet sie vor; im Zeitalter des Perikles, in Phidias, „dem Könige im Gebiete der Kunst", wird sie zur Wirklichkeit, die ideale geistdurchwirkte Darstellung des Schönen in der griechischen Plastik.
b) Dem Sieger folgt die Kunst; und die Siegerin der Perserkriege zu verschönen, die politische Herrschaft über Griechenland mit künstlerischem Glanz zu umweben und zu verklären, erschien dem Perikles eine nationale Pflicht, ebenso wie es im Verfolg des demokratischen Prinzips lag, auch durch äußerliche Herrlichkeit und bildnerischen Schmuck eine Stadt zu schaffen, die ihren Bürger groß denken ließ von seinem Bürgerrecht und seiner Bürgerpflicht. Was Perikles (und vor ihm schon Kimon) ersonnen,
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28 Die griechische Geschichte
was in der Unterstadt, in Elensis und Suninm bereits vollführt war, verwirklichte in der Bnrg, die hinfort nicht mehr den Zwecken des Krieges dienen, sondern den Früchten siegreichen Friedens ein Entfaltnngsort sein sollte, Phidias. Eine religiöse Natur durch und durch, erwählte er als Vorwnrf sich die Bilder der mächtigsten Gottheiten, des Zeus, der Athene. Eine gottbegnadete Künstlernatur, vermag er diesen Gestalten Leben einzuhauchen, dem ausdrnckslosen Stein Anmut und Würde, Geist und Kraft zu verleihen. So steht das hohe Koloß der Athene Promachos (Vorkämpferin) auf der Burg unter freiem Himmel mit der ragenden Lanze, dem wehenden Helmbusch und dem vorgestreckten Schild — Würde und Mut in sich vereinend, „das Ideal, welchem das Geschlecht der Marathonkämpfer nacheiferte." —
Ju Goldelfenbein über einem Holzkern ward die „jungfräuliche" Athene gebildet, „die keusche, unnahbare Tochter des Zeus, in welcher des Vaters Weisheit und Denkkraft sich persönlich darstellt". Mit feinem Nachempfinden beschreibt sie uns Curtins (Gr. G. Ii. S. 271): „Sie ist die heimatliche Göttin; darum sah man die Burgschlange, das Sinnbild des Einheimischen, zu ihrer Linken sich emporringeln; sie ist die kriegerische Göttin mit Helm, Schild und Speer, und die siegverleihende mit einem Standbild der Viktoria auf der ausgestreckten Rechten; aber ruhig und friedlich steht sie da, nicht keck und herausfordernd, sondern mit gesenkter Stirn, still und gesammelt vor sich hinblickend, sich selbst genügend, mit milden und klaren Gesichtszügen; der Helm, unter dem das volle Haar hervorquillt, ist mit den Symbolen von Sphinx und Greifen ausgezeichnet, welche Denkkraft und Scharfblick bedeuten. Diese Athene war also keine allegorische Figur, denen ähnlich, welche man in alten und neuen Zeiten als Personifikationen einer Landschaft oder Stadt darzustellen versucht hat, sondern einer Gottheit Bild, die feit dem Beginn des Staates Schutzgöttin gewesen war; aber dies Gottesbild war mit allen Vorzügen ausgestattet, deren Athen sich bewußt war, mit allen Tugenden, welche den attischen Bürger auszeichnen sollten."
Höchste Macht und höchste Milde vereinte sich in dem Zeus von Olympia, den der Künstler geschaffen nach jenen homerischen Versen, in denen Zeus der für ihren Sohn bittenden Thetis Gewährung zunickt:
„Sprachs, und Gewährung winkte mit dunklen Brauen Kronion,
Und die ambrosischen Locken des Herrschers, sie walteten vorwärts
Von dem unsterblichen Haupt; es erbebten die Höhn des Olympos."
In diesen gewaltigen Werken des Phidias, nicht minder in denen seines Schülers Paionios (Nike) und seines Zeitgenossen Polyklet, endlich in den ans später Zeit stammenden bekanntesten Götterbildern, dem Zeus
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46
Europa.
Eichen, Buchen, Nadelbäumen und echten Kastamen. Freilich sind die
Wälder sehr gelichtet und haben Weiden für das Kleinvieh Platz gemacht.
Ans Sizilien gedeihen schon Zuckerrohr und Baumwollenstaude. Der Weizen
wird während des milden feuchten Winters von Oktober bis Mai zur
Reife gebracht. Wo Ebenen versumpft sind, ist es nur durch Vernach-
lässigung der Bewässerungsanlagen oder durch die Entwaldung geschehen.
Auf der eigentlichen Halbinsel sind fast alle Großstädte an bevorzugten
Häfen entstanden. Am Lignrischen Meere baut sich das 1ji Mill. Ein-
wohner zählende Genua mit zahlreichen Marmorpalästen amphitheatralisch
auf inmitten der Olivenhaine, Zitronengärten und Macchis. Sie ist das
natürliche Eingangstor für die westliche Poebene und Fabrikstadt mit
Seiden-, Eisen-, Korallen- und Filigranindustrie. Südwestlich davon (an
der Riviera) reiht sich ein Luftkurort an den andern, darunter San
Remo. Südöstlich von Genua wird bei der Klst. Earrara Marmor
gebrochen. Im schönen Arnotale, inmitten von Weinbergen, Olivenhainen
und Gärten treibt das an Kunstschätzen (Dom, Paläste, Museen) reiche,
200000 Einw. zählende Florenz Seidenindustrie. Der Hasen dafür ist
die Großstadt Livorno südlich der Arnomündung mit Ausfuhr von
Seide, Wein, Strohgeflechten und Marmorwaren. Die Eisenbahn führt
die Küste entlang nach Rom, der Hauptstadt des ganzen Landes und dem
Sitz des Papsttums. In öder, baumloser Steppe an der unteren Tiber
auf Hügeln erbaut, treibt die Großstadt mit Mill. Einw. Seiden-
und Wollindustrie, wird viel besucht wegen seiner herrlichen Bauten
(Peterskirche, Qnirinal, Vatikan, Engelsburg), seiner Kunstschätze und Bau-
denkmäler aus älterer Zeit (Kapitol, Kolosseum, Kloaken, Kaiserpaläste,
Triumphbogen, Obelisken, Katakomben). Der Hafen ist das kleine Civita
Vecchia (tschiwita wekkia). Die Pontinischen Sümpfe umgehend, führt
die Eisenbahn weiter nach Süden und tritt in ein Gartenland von un-
übertrossener Fruchtbarkeit ein. Hier liegt die größte Stadt Italiens,
Neapel mit über 1i2 Mill. Einwohnern; sie ist besonders wichtig durch
Seehandel und Fremdenverkehr, Fischerei und Korallenbearbeitung; sonst
ist die Industrie unbedeutend. Gegenüber liegt die kleine, höhlenreiche
Insel Capri. Von Neapel erreicht die Eisenbahn die kleine Mittelstadt
Tarento, wo neben Ölhandel Fischerei und Salzgewinnung in Salzgärten
getrieben wird. Durch das wasserlose und staubige Innere Apuliens, das
im Winter Getreidefelder trägt oder der Schafweide dient, geht es die
Stufen, mit Wein- und Ölpflanznngen bestanden, hinab zur kleinen
TM Hauptwörter (50): [T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T33: [Stadt Meer Italien Neapel Hauptstadt Rom Insel Genua Spanien Land], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
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Extrahierte Personennamen: Earrara
Extrahierte Ortsnamen: Europa Sizilien Genua Genua Livorno Rom Vatikan Engelsburg Italiens Neapel Capri Neapel Apuliens
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hörte feinem Staate an, sondern war unabhängig. In alter Zeit hatte die phokische Stadt Krissa, in deren Gebiet Delphi lag, die Oberhoheit über das Heiligtum beansprucht und von deu Reisenden, welche auf der heiligen Straße nach Delphi zogen, Zoll erhoben. Aber die delphischen Priester hatten darüber bei den Amphiktyonen Klage geführt, diese hatten den Krissäern den Krieg erklärt und denselben nicht eher beendet, als bis Krissa zerstört war. Nachdem die Einwohner getötet oder als Sklaven verkauft worden waren, wurde das Gebiet von Krissa als heiliges Feld dem Tempel übergeben. Es durfte nicht gepflügt und nicht bebaut werden, nur heilige Haine gab es dort und Weideplätze für die Herden; damit aber niemand sich an dem heiligen Boden vergriffe, umgingen die Tempelhüter von Zeit zu Zeit das Gebiet, und schwere Strafe traf den, der sich eines Teiles desselben bemächtigt hatte.
Die Griechen liebten die Feste und bei den Festen die Kamps-spiele, welche in musische und gymnische eingeteilt wurden. Zu den musischen gehörte Gesang und Zitherspiel, zu den gymnischen Ringen, Werfen mit der Steinscheibe (dem Diskos), Wettlaufen, und dazu kam noch das Wettfahren mit dem Viergespann. Jeder berühmte Tempel hatte seine jährlich wiederkehrenden Feste; zu Ehren mancher Gottheiten, z. B. des Dionysos und der Athene wurden mehrere Feste im Jahre abgehalten. Berühmte Festspiele, bei denen sich Teilnehmer ans ganz Griechenland, ja auch ans den griechischen Kolonien in Asien und Italien einfanden, waren die zu Delphi (alle vier Jahre), in Nemea, auf dem Jsthmos von Korinth zu Ehren Poseidons und die berühmtesten von allen die in Olympia zu Ehren des Zeus. Olympia war eine Ebene nahe bei der Stadt Elis in der peloponnesischen Landschaft gleiches Namens. Im Norden grenzte sie an einen Berg, im Süden an den Fluß Alpheios. Hier stand in einem Haine von Olivenbäumen der Tempel des Zeus. Vor dem Haine breitete sich das Stadion aus, ein freier Platz, wo die Wettkämpfe abgehalten wurden, und daran stieß das Hippodrom, die Bahn für die Wettfahrten. Immer nach einem Zwischenraum von vier Jahren, also in jedem fünften Jahre, fanden hier die großen Festspiele statt, zu welchen die freigeborenen Männer aus allen Staaten Griechenlands, ja aus den fernsten Kolonien herbeiströmten. Dann glich die Ebene von Olympia einem Heerlager mit Tausenden von Zelten. Die Spiele dauerten fünf Tage, und während dieser Zeit, sowie lange vor- und nachher mußten alle Fehden ruhen; wer den heiligen Festfrieden brach, wurde dem Zeustempel als Sklave übergeben. Die Anordnung der Spiele, die Verwaltung des Tempelgutes, die Verteilung der Preise und das Gericht über Verletzung des Landfriedens stand den Eleern zu, aber als die Schutzherren des
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